„Zum Sonnenstein“

Die Landdiskothek im Museumsdorf Cloppenburg lädt zur Zeitreise ein

Kenner nannten ihn kurz den „Stein“ – jetzt ist der legendäre Ort wieder geöffnet. Mitsamt seiner Soundanlage, der beleuchteten Tanzfläche, der Bar und der schillernden Deko wurde die gesamte Diskothek von Harpstedt ins Museumsdorf Cloppenburg versetzt und originalgetreu wieder aufgebaut. „Es ist alles so wie es damals war“, freut sich Museumsleiterin Julia Schulte to Bühne beim Eröffnungsfest am 16. Juli. Alle Beteiligten, die an der Versetzung des Gebäudes mitsamt dem Innenleben mitgewirkt haben, wurden gewürdigt. Allen voran das Ehepaar Gunda und Klaus Sengstake, die den „Sonnenstein“ über Jahrzehnte hinweg geführt haben. 1973, in einer Zeit, in der DJs mit mobilen Musikanlagen durch die Landgaststätten tingelten, haben sie ihren Gasthof in eine feste Diskothek umgewandelt.

Die vier Discjockeys des „Steins“ gaben beim Festakt einen musikalischen Rückblick: Hans Freitag legte auf, als „Daddy Cool“ von Boney M. angesagt war. Volker Kubainsky, alias DJ Coco, erinnert sich gut an das Album „Thriller“ von Michael Jackson: „Zu meiner Zeit war das der Wahnsinn. Ich konnte das komplette Album durchlaufen lassen und in Ruhe einen Pernod-Cola trinken.“ Uwe Geppert und Jürgen Langhorst lösten die beiden am Plattenteller mit Wave oder Gothic ab.

Dass die musealisierte Disko so lebendig wirkt, liegt auch an der authentischen „Geräuschkulisse“. Verantwortlich dafür ist die Klangexpertin Stefanie Hoppe-Fuchs, Geschäftsführerin von Klangerfinder. Sie hat überlieferte Geräusche eingefangen, hergestellt und so platziert, dass sie den Gästen das Gefühl einer Zeitreise vermitteln. Überdies finden Besucher an verschiedenen Stellen auch Hörstationen mit typischen Diskogesprächen. „Was fehlt“, scherzte Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und Kultur, „sind der Biergeruch und die Klebrigkeit des Fußbodens, doch das lässt vielleicht noch herstellen.“ 

Der Wiederaufbau der Landdiskothek ist zugleich der Anfang eines neuen Bauabschnitts, mit dem das Museum sein Spektrum um Gebäude der Nachkriegszeit erweitern will. Mit dem neuen Abschnitt werden insbesondere die Aspekte Freizeit, Konsum und Mobilität behandelt. Für das Konzept ist das Gebäude ein Gewinn, da der „Stein“ das jüngere Publikum anspricht. Viele der Besucher werden sagen können: „Als Papa noch jung war, hat er hier getanzt“. Björn Thümler sieht den Start als gelungen an: „Ich bin hoffnungsvoll gestimmt, weil damit jetzt die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg weitergeht. Die Diskothek ist für ein solches Museumsdorf wirklich beispielgebend, weil es in ganz Deutschland nichts Vergleichbares gibt.“ 

Im Obergeschoß des „Sonnensteins“ wird eine Dauerausstellung die Geschichte des Gebäudes veranschaulichen. Bereits 1874 wurde das Gebäude vom Gastwirt Friedrich Thöle auf dem Schützenplatz bei Harpstedt errichtet und von Beginn an auch für Tanzfeste genutzt. 1952 wechselte das Haus den Besitzer: Johann Hasselmann benannte sein Ausflugslokal „Zum Sonnenstein“. Namensgeber war ein Findling, der sich nebenan auf dem Schützenplatz befand und sich durch seine Kennzeichnung von 12 konzentrischen Kreisen vermutlich als vorzeitlicher Sonnenstein identifizieren lässt. Hasselmann ließ schon in den 1960er Jahren, zur Zeit der Beat-Welle, Livebands auftreten. Anfang der 1970 wandelte sich der Trend von Live-Kapellen zu ersten Auftritten von DJs an den Plattentellern. 1973 verpachtete Hasselmann den „Sonnenstein“ an Klaus Sengstake. Dieser ersetzte die Bühne durch eine DJ-Kabine. Damit war das künftige Programm gesetzt. Wie im Film „Saturday Night Fever“ kam bald eine beleuchtete Tanzfläche hinzu. Nach 35 Jahren, 2008, gab das Ehepaar Sengstake den Betrieb auf. Anschließenden Pächtern gelang es jedoch nicht, die Disko wirtschaftlich aufrechtzuerhalten. Als 2014 der Abriss drohte, erwarb das Museumsdorf den „Stein“ als erstes Gebäude der neugeplanten Siedlung zur Nachkriegszeit. 2016 starteten die Vorbereitungen für die Versetzung des Gebäudes, die in der Fachsprache als „Translozierung“ bezeichnet wird. 2018 wurde das Gebäude in acht Teile zersägt und auf Tiefladern nach Cloppenburg gebracht. 

Mit dem Titel „Charly für `ne Mark“ erscheint begleitend eine rund 200 Seiten starke und reich bebilderte Publikation mit Beiträgen über die Tanzgeschichte am Harpstedter Schützenplatz, Diskotheken entlang der Bundesstraße B 213, die Versetzung des Gebäudes und die Betreiber Klaus und Gunda Sengstake. Abgeleitet von der Marke Scharlachberg, ist der „Charly“ eine Cola-Weinbrand-Mischung. Im Oldenburger Raum war es ein weit verbreitetes Partygetränk, vorzugsweise mit Springer Urvater und Cola gemixt.

 

Weitere Informationen und Öffnungszeiten unter https://museumsdorf.de